- 09.01.2022 - Eingeschneit. Sonntag bedeutet, kein Schneepflug; nicht einmal der Bauer. Und es schneit fortwährend ohne Unterlass. Zentimeter um Zentimeter türmt sich mit der Zeit. Gut kniehoch mittlerweile. Fluffig weich, in krachender Kälte. Team Hund ist im Winterhimmel, rockend im Garten - und G. dreht sich einen harten Film. Fassungslos beobachtet er das Geschehen dort draußen, im Bewusstsein, dass seine Karosse darin keine Chance hat. Er kommt hier nicht mehr weg; nicht mit seinem Wagen. Handyempfang ist komplett Essig bei dem Schneefall. Das Internet ist mausetot; nach wie vor. Das wars, Herr Bars. Ich biete mein SUV an, wobei ich nicht sicher bin, dass er weiter als einige Meter den Berg runter kommen wird. G. starrt stoisch nach draußen, flucht leise und meint dann, ihm egal, im Grunde gibt es nichts, was nicht noch etwas warten könne. M. grinst sardonisch, er weiß genau um G.s notorische Ungeduld und was bei ihm jetzt innerlich abgeht.
Ich weiß es ebenso. Auch darum, dass M. in sich hinein feixt. Ich habe die Stimme meines Gottgleichen im Ohr, wie er mir, wie so oft, sanft erklärt, die Natur wäre der beste Lehrmeister. Die Natur und ihre beiden Mitarbeiter, Zeit und Synchronizität. Erträglicher zu machen mittels Demut und Geduld. Beides Dinge, die G. nur sehr rudimentär gegeben sind. Ergo leidet er jetzt und M. feixt. Frei nach dem Motto, dass er es wird lernen müssen; will er oder nicht. Und hier oben ist aktuell genau der richtige Ort dazu. M. ist ein großer Fan des fortwährenden Lernens. Er hält das Leben für eine Art Erziehung, die uns allen zuteil wird und je williger man diesen Umstand zu akzeptieren bereit ist, um so weniger wird man sich quälen (müssen).
G. ist zutiefst unwillig, was nicht zu übersehen ist. Unwillig, stolz, ungeduldig, bisweilen unbeherrscht, hitzköpfig, unbeugsam und, jedenfalls von meiner Warte aus, überaus erotisch. Seine gesamte angespannte Haltung ist Protest, im Angesicht von Umständen, denen er sich ausgeliefert sieht; was eine schiere Frechheit ist für eine Mentalität wie seine. G. fühlt sich von so etwas persönlich beleidigt. Und M. feiert derweil einen inneren Reichsparteitag. Das ist so herrlich fies und deshalb erlebe ich auch ihn darin als extrem animierend. Die Beiden sind aktuell wie lodernde Flammen und ewiges Eis. Ich beende folgerichtig diesen Eintrag und rege die beiden Herrschaften an, dass wir die Zeit - nebst diverser antagonistischer Energien - sinnvoller nutzen könnten.
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- 10.01.2022 – Heute, am späten Vormittag, war alles soweit geräumt und ein sichtlich erleichterter G. begab sich in die alte Heimat um letzte Termine abzuarbeiten. Derweil M. und ich in die Kreisstadt zum Einkauf fuhren; und um zu telefonieren. Von der Telekom, die uns angeblich auf dem Laufenden halten wollten, war lediglich noch eine SMS eingetrudelt, mit der Bitte, man solle melden ob das Problem erledigt wäre. Hä? Natürlich nicht! Es war niemand da gewesen und das Letzte, was man von dem Verein gehört hatte, war die Nachricht von Samstag, mit der Bitte um Geduld. Wir halten fest, seit irgendwann in der Nacht von Silvester auf Neujahr ist das Internet weg. Wir sitzen, ohne konstanten Handyempfang, abgeschnitten von der Welt und dürfen in die Kreisstadt fahren, damit wir ordentlich telefonieren können.
Stehend auf dem Parkplatz des Einkaufscenters rufe ich also bei dem Laden an. Erst einmal das Übliche. Warten und Gedöns am Band. Nummer nennen, ja – sie dürfen mitschneiden, nein – man will keine SMS für eine Online-Meldung (online, echt witzig) .. zur Zeit sind alle Mitarbeiter im Gespräch. Warten. Dann eine, vermutlich tschechische, Callcenterdame. Ich nenne die geforderten Daten, sie druckst herum. Ja, es tut ihnen sehr leid, das Problem ist größer. Ach? Wirklich!? Da wäre ich jetzt nie drauf gekommen. Ich schnaube in mich hinein und muss an Mischa denken, die, als wir letzte Woche bei ihr vorbeigefahren sind (eigentlich, um sie zu bitten, eine Auge auf das Forum zu haben), einen epischen Tobsuchtsanfall hinlegte und sich in konspirativen Gewaltfantasien erging. Sie hat das Problem nämlich auch; nebst mindestens drei weiteren Ansiedlungen und Örtchen, allesamt hier am Berg gelegen.
Ich meine, was macht man, hat jetzt irgendwer einen Herzkasper? Kein Handyempfang, kein Telefon, kein Internet. Eingeschneit waren wir auch. M. schaut nachdenklich. Er ist nicht mehr der Jüngste. Das ist eine ziemlich wenig erfreuliche Aussicht. Egal. Wir werden so oder so bald weg sein. Bis dahin lausche ich aufmerksam der osteuropäischen Dame, die mir erklärt, dass am 12ten ein Bautrupp käme. Bitte?! Am ZWÖLFTEN?! Ja, leider geht es nicht schneller. Aber dann sollte es von alleine wieder gehen und es muss auch nicht extra jemand zu uns ins Haus kommen. Alles wird gut. Ganz von allein. Am Zwölften dann. Ganz bestimmt. Großes Callcenterehrenwort. Ich beherrsche mich mühsam und verabschiede mich. Ach so, ja, wir bekommen natürlich dann noch eine Abschlussmeldung und vielen herzlichen Dank für das Verständnis, einen schönen Tag und eine angenehme Woche noch.
Was soll man dazu sagen? Saftladen? Ich schalte ein Testbild ins Hirn, gehe ins Lebensmittelgeschäft und packe eine Flasche Wodka und eine Riesenpackung schottischen Räucherlachs in den Wagen; nebst vielen anderen leckeren Dingen. M. stellt wortlos noch zwei Flaschen Rotwein dazu; mit versteinerter Mine. Wenn wir schon abgeschnitten sind von der Welt, dann lassen wir es uns wenigstens gut gehen. Zum Wohl! Ich bin mal gespannt was das am Mittwoch wird. Der Bautrupp soll zwischen 8:30 und 9:30 Uhr vor Ort sein. Angeblich sollte es dann wieder gehen. Wir sind gespannt. Und wenn nicht, dann fahren wir wieder ins Städtchen und ich höre mir die nächste Geschichte aus der pinken Irrenanstalt an. Deutschland (okay - Bayern), im Jahre des Herrn 2022.
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- 12.01.2022 – Es scheint wieder zu gehen. Es ist 14:08 Uhr. Allerdings spinnt nun unsere Routerkonfiguration und alles muss neu erstellt werden. Wenigstens das Telefon steht. (Etwas später:) Ich bin "drin" - wie schön. 12 Tage. WOW.
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